Ein Bericht über die Situation syrischer Geflüchteter im Libanon und unsere Arbeit im „Playground-Camp“

Seit September arbeiten wir Grünhelme nun im Libanon. Zuerst hatten wir 200 syrische Familien, die im südlichen Küstenort Saida in einem riesigen Rohbau hausen, mit den Bau- und Einbau von Fenstern gegen die aufziehende winterliche Kälte unterstützt, sowie die Renovierung einer Schule für syrische Kinder durchgeführt. Nun arbeiten wir seit Ende November im Ort Arsal in der nordöstlichen Bekaa-Ebene, bauen Holzdächer um auch dort für einige Familien die Härten des aufziehenden Winters abzumildern.

Arsal ist gilt einer der ärmsten Flecken des Libanon. Im Nordosten der Bekaa-Ebene versteckt sich dieser Ort zwischen den Gipfeln des Anti-Libanon-Gebirges, in unmittelbarer Nähe zur syrischen Grenze. Arsal selbst hatte vor dem Eintreffen der syrischen Geflüchteten eine Einwohnerzahl von etwa 35.000 Menschen und war ein sunnitisch-arabischer Sprenkel, umringt von schiitisch-dominierten Ortschaften. Wirtschaftlich abgehängt und von der Zentralregierung in Beirut vernachlässigt, hat Arsal erst durch den Zuzug von zehntausenden syrischen vor dem Krieg geflohener Menschen eine Aufmerksamkeit bekommen, die ihr zuvor von der Regierung verwehrt wurde.

Heute leben zwischen 60.000 und 100.000 Syrerinnen und Syrer in und um Arsal – in Zelten, Holzverschlägen, in angemieteten Wohnungen, in Garagen, Rohbauten oder zu Gast bei libanesischen Familien. So hat sich die Bevölkerung mindestens verdreifacht! Dabei ist die Versorgung dieser Geflüchteten in allen Belangen unzureichend und immer wieder durch den überschwappenden syrischen Bürgerkrieg erschwert worden. Noch bis vor wenigen Monaten hielten sich IS- und Al-Nusra-Kämpfer in den umliegenden Bergen versteckt: Immer wieder kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der schiitischen Hisbollah-Miliz, die an der Seite der syrischen Assad Regierung kämpft und der libanesischen Armee. Diese Gefahr konnte nun durch eine großangelegte Säuberungsaktion des Militärs gebannt werden, dennoch ist Arsal auch heute noch abgeriegelt und die Ein- und Ausreise streng reguliert.

Die Syrerinnen und Syrer in Arsal leben hier seit mittlerweile gut vier Jahren. Sie gehören zu den späten Flüchtenden, die erst ihr Land verlassen haben, als nichts anderes mehr möglich war. Die meisten von ihnen stammen aus der Region Homs und sind vor der Gewalt der syrischen Armee geflohen. Viele sagen, dass eine Rückkehr für sie unvorstellbar ist, solange Assad an der Macht bleibt. In Arsal sind sie nicht in die offenen Arme der UN-Organisationen gefallen. Hier gibt es keine durchorganisierten Flüchtlingslager und keine regelmäßigen Verteilungen von Hilfsgütern – aufgrund der chronischen Unterfinanzierung der UN und aufgrund der Sicherheitsrisiken.

Die Menschen, die in Syrien alles zurücklassen mussten, sind weitestgehend auf sich allein gestellt. Viele Familien sind noch in den ersten Jahren in Wohnungen untergekommen. Als nach einiger Zeit das Geld ausging haben sie sich in Gruppen zusammengeschlossen und Land gepachtet, auf dem sie ihre Zeltverschläge errichtet haben, in denen sie heute leben. Diese „Settlements“, von denen es hunderte gibt und die jeweils zwischen zehn und hundert Zelte umfassen, prägen heute das Bild von Arsal.

Für die libanesischen Arsalis war der Zuzug der Geflüchteten zugleich ein Glück. Nicht nur die gesteigerte Aufmerksamkeit durch die Regierung, auch die Geflüchteten brachten Geld in den Ort: So werden die felsigen und eigentlich fast wertlosen Grundstücke heute zu horrenden Preisen an Gruppen syrischer Familien verpachtet, Rohbauten sprießen aus dem Boden, die in unfertigem Zustand vermietet werden, um sie mit den Miteinnahmen irgendwann fertig zu bauen. Gleichzeitig sind die Syrerinnen und Syrer billige Arbeitskräfte in den Läden, den Steinbrüchen, der Landwirtshaft, in den Bäckereien und Schlachtereien. Für weniger als 5 US-Dollar am Tag schuften sie, um irgendwie den Lebensunterhalt der Familien zu sichern.

Gleichwohl sind etwa zwei Drittel der Syrerinnen und Syrer bei der UN als Flüchtlinge registriert, erhalten eine monatliche Zuwendung von 27 US-Dollar pro Person und können sich frei bewegen. Die Unregistrierten hingegen erhalten nichts und müssen zudem immer auf der Hut vor der libanesischen Armee sein, die es speziell auf sie abgesehen hat. Die syrischen Kinder konnten lange Zeit überhaupt keine Schule besuchen. Mittlerweile hat die libanesische Regierung Extraschichten in den Schulen eingerichtet, in denen die syrischen Kinder nun unterrichtet werden sollen. Das gilt auch für Arsal. Allerdings sind die Kapazitäten so gering, dass noch immer mehrere tauschend Kinder nicht zur Schule gehen können. Dies konnte auch nicht durch freie syrische Schulen, wie der unserer belgisch-syrischen Partnerorganisation SB Overseas gänzlich aufgefangen werden.

Insgesamt kann in Arsal das Leben der syrischen Geflüchteten noch viel mehr als in anderen Gegenden Syriens als ein täglicher Kampf ums Überleben bezeichnet werden: Neben den vergleichsweise teuren Unterkünften und Lebensmitteln, müssen auch Wasser und im nun einsetzenden harten Winter, Diesel zum Heizen finanziert werden. Dabei sind Syrerinnen und Syrer in aufgezwungenem illegalem Status, doch auch die Registrierten, praktisch ohne Rechte. Immer wieder werden die Grundstückspachtpreise willkürlich erhöht und die geleistete Arbeit nicht entlohnt. Rassismus und Ausbeutung ist an der Tagesordnung.

Wir Grünhelme versuchen nun mit unserem technischen Know-how die klapprigen und instabilen, mit Plane überspannten Holzverschläge winterfest zu machen. Begonnen haben wir im sogenannten Playground-Camp, das seinen Namen dadurch erhalten hat, dass es sich auf dem Grundstück des ehemaligen Fußballplatzes von Arsal befindet. Die 21 Familien bezahlen 4.500 US-Dollar pro Jahr, um hier leben zu dürfen. Da es sich in einer Senke befindet, wird es im Winter bei starken Regenfällen immer wieder durch Überschwemmungen heimgesucht. Auch sind die einzelnen Zelte in vergleichsweise schlechtem Zustand, sodass es im letzten Winter immer wieder zu Einsturzgefahr durch die auf dem Dach befindlichen Schneemassen kam. Hier bauen wir nun seit einigen Wochen große Holzdächer über die vorhandenen Zelte, um sie vor Schnee und Regen zu schützen. Zugleich bieten diese Dächer auch überdachte Räume zwischen den Zelten, sodass sich der Aktionsraum der Menschen nicht nur im Winter sondern auch in den heißen Sommermonaten erweitern soll. Darüber hinaus helfen wir auch bei der Errichtung eines Walls, der das Camp vor Überschwemmungen schützen soll.

Auch in den nächsten Monaten wollen wir Grünhelme die Geflüchteten in Arsal weiter unterstützen, nicht nur um die tatsächliche tägliche Lebenssituation einiger Familien zu verbessern, sondern auch um ihnen zu zeigen, dass sie an diesem abgelegenen Ort nicht vergessen wurden.