Schulen, Krankenhäuser oder Flüchtlingscamps – mit unseren Bauprojekten wollen wir Grünhelme weltweit handfeste Solidarität leben. Dieser Gedanke begleitet uns, seit wir am 07. April 2003 gegründet wurden.
Der Beginn: Wieso die Grünhelme notwendig wurden
Von Christel Neudeck
Troisdorf, 07. April 2023. Der 11. September 2001 war für uns eine „Zeitenwende“. Mein Vater war 1942 acht Tage nach meiner Geburt in Stalingrad ‚gefallen‘. 2001 verschwendete ich keinen Gedanken daran, dass unsere Kinder und Enkelkinder einen Krieg erleben könnten. Das war nun anders.
Rupert und ich hatten 2002 das Komitee Cap Anamur an unsere Nachfolger übergeben. Unsere neu gewonnene Freiheit funktionierte nicht recht.
Krieg lag in der Luft. Am 20. März brach der Krieg im Irak aus. Rupert war der Meinung, dass statt Konferenzen Christen, Muslime und Menschen guten Willens gemeinsam etwas TUN müssten. So gründeten wir am 07. April 2003 in unserem Wohnzimmer den Verein Grünhelme.
Die Grünhelme bauten eine Schule in Bagdad, 30 Schulen in der Provinz Herat in Afghanistan, sind bis heute in Krisengebieten dieser Welt tätig.
Ich erinnere, dass Rupert im Irak einen Studenten als Dolmetscher hatte, der fasziniert war zu erfahren, dass Rupert Heinrich Böll gut gekannt hatte. Mit einer Theatergruppe führten sie ‚Draußen vor der Tür‘ auf und er sagte: „Wolfgang Borchert muss ein Iraker gewesen sein.“ Das hat mich tief berührt.
Dankbar blicke ich auf diese 20 Jahre zurück, in denen uns die Spenderinnen und Spender die Treue gehalten und wir immer wieder junge – und ältere – Menschen gefunden haben, die sich auf das Abenteuer dieser Arbeit einlassen und sich von Albert Camus‘ Satz in Die Pest bewegen lassen: „Man kann sich schämen, allein glücklich zu sein.“
Die Fortsetzung: Wie der Gründungsgedanke heute weiterlebt
Von Simon Bethlehem
„Etwas tun müssen“ – dieses Gefühl, das Christel Neudeck beschreibt, leitet uns auch heute noch. Der Irak-Krieg wirft noch immer seinen Schatten über den Mittleren Osten, in Afghanistan haben zwanzig Jahre internationaler Intervention nichts verändert, der Krieg in der Ukraine, strukturelle Armut auf dem afrikanischen Kontinent und der Klimawandel, der mehr und mehr Extremwetterereignisse hervorruft, durch die Menschen ihr Leben oder ihr Zuhause verlieren. Die Welt ist in den vergangen zwanzig Jahren kein besserer Ort geworden.
Und doch ist unsere Arbeit in dieser Zeit nicht vergebens gewesen. Das „Bauen an einer gerechteren Welt“, das uns Rupert Neudeck als Leitlinie mitgegeben hatte, als er Martin Mikat, Max Werlein, damals noch Till Gröner und mir die Grünhelme 2014/15 in die Hände legte, verfolgen wir weitestgehend dort, wo sich nur wenige andere internationale Organisationen hinwagen und Unterstützung selten ankommt.
Wir leben und arbeiten mit den Menschen, beziehen sie ein und übergeben Verantwortung. Die Grünhelme sind keine europäischen Retter, sondern wir leisten Hilfe in akuten Notsituationen und schaffen mit unseren Projekten Möglichkeiten für die Zukunft.
107 Projekte in 26 Ländern
107 Projekte haben wir so in den vergangenen 20 Jahren umgesetzt, dabei viele Schulen, aber auch Gesundheitseinrichtungen, Sozialzentren, Ausbildungsstätten gebaut und ganze Dörfer nach Naturkatastrophen wiederaufgebaut. Daneben sind wir immer wieder in der Soforthilfe im Einsatz, für Geflüchtete und Menschen, die alles verloren haben. Damit die Welt eine gerechte wird, sind politisch-wirtschaftliche Strukturveränderungen notwendig. Das können wir als Grünhelme nicht bewirken. Aber zumindest im Kleinen können wir die Welt der Menschen in unseren Projekten verändern. Für sie macht es einen großen Unterschied, ob sie ein Heim zum Leben, eine Schule oder eine Gesundheitsstation haben.
Als ich 2011 zu den Grünhelmen stieß und meinen ersten Freiwilligen-Einsatz in der instabilen Kivu-Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo absolvierte, wurde dieser Aspekt für mich sofort greifbar. In einer Goldgräberstadt, die aus allen Nähten platzte, bauten wir eine neue Grundschule – oder besser gesagt, unsere kongolesischen Mitarbeiter bauten sie für ihre Kinder und Geschwister, die bis dato keine Schule besuchen konnten.
Interkulturellen Austausch ermöglichen
Und hier erfuhr ich auch erstmals den Geist der Grünhelme, nicht nur mit den Menschen zu arbeiten, sondern auch mit ihnen zu leben, ihr Leben kennenzulernen, zu verstehen. Diese interkulturelle Komponente – von Rupert Neudeck und Aiman Mazyek bei der Gründung noch vor allem auf Christen und Muslime bezogen – lebt bis heute fort. Rund 330 freiwillige Europäer*innen waren für uns in den vergangenen 20 Jahren im Einsatz, viele von ihnen mehrfach. Sie leben den Gedanken der Verständigung und tragen die Grünhelme mit ihrem Engagement und dem Willen, „etwas zu tun“. Bei vielen sind bleibende Freundschaften mit Menschen aus den Projektländern entstanden.
Es ist eine grenzüberschreitende Solidarität, die in beide Richtungen wirkt: So schreibt Abu Feyrus, ein syrischer Geflüchteter im libanesischen Aarsal, Mitarbeiter und enger Freund, in seinem Beitrag zum letztjährigen Jahresbrief der Grünhelme: „Ich bin ein Grünhelm.“
20 Jahre Anpacken, gelebte handfeste Solidarität – das sind die Grünhelme und sollen es auch in den nächsten 20 Jahren bleiben.
Eindrücke aus 20 Jahren Grünhelme:
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