Der 27-jährige Elektroniker Benedikt Heinrich aus der Nähe von Würzburg hat als Freiwilliger in unserem Schulbauprojekt in Mansadu in Sierra Leone mitgearbeitet. Hier beschreibt er seine Eindrücke und reflektiert seine drei Monate als Grünhelm.
04. April 2021 – Schon beim Bewerber*innentreffen, etwa sechs Monate vor meinem Einsatzbeginn, wurde mir bewusst, dass es bei den Grünhelmen einfach zu geht – sowohl im Projekt als auch schon in Deutschland. Wir haben bei einem ehemaligen Grünhelm auf dem Fußboden übernachtet und sein Wohnzimmer war unser Seminarraum: Dort war ein Beamer aufgebaut, über den wir Infos über die Grünhelme und ihre Arbeit präsentiert bekamen.
Einfach war es aber auch, da wir sofort auf Augenhöhe gesprochen haben. Es entstand gleich eine familiäre Atmosphäre. Zur Sache ging es aber auch direkt, weil wir nicht nur theoretisch mit der Arbeit der Grünhelme vertraut wurden, sondern auch Anpacken mussten. Zu jedem Bewerber*innentreffen gehört eine praktische Aufgabe, um handwerkliches Geschick und Teamgeist unter Beweis zu stellen. An diesem Wochenende haben wir ein Gartenhäuschen in einem Kindergarten aufgebaut. Dabei wurde mir auch gleich klar, dass hier mit Spaß angepackt wird.
Als es dann wirklich losging und ich in der sierra-leonischen Hauptstadt Freetown angekommen bin, war die Einfachheit noch stärker zu spüren. Große Hotels sind einfach zu teuer, unnötig oder es gibt sie erst gar nicht. So wurden mein neuer Teamkollege und ich nach der Landung direkt vom Charme eines Low-Budget-Guesthouses begrüßt. Kein fließendes Wasser, keine Klimaanlage, kein Strom – stattdessen die drückende feuchte Hitze der Tropen und Moskitos, die es auf uns abgesehen hatten.
Daran habe ich mich aber schnell gewöhnt.
Die Fahrt ins Projekt war schon ein Abenteuer für sich. Nach fünf Stunden Fahrzeit hat die asphaltierte Straße einfach aufgehört und die nächsten sieben Stunden ging es über eine hügelige Lehmpiste weiter. Immer wieder mussten wir uns durch Schlammlöcher kämpfen, Schlaglöchern und Spurrillen ausweichen. Zum Glück sind wir nicht stecken geblieben. Kein Wunder, dachte ich mir, dass es auf der Baustelle immer wieder zu Lieferengpässen kommen kann: Wie soll ein LKW mit 200 Sack Zement hier in der Regenzeit durchkommen, wenn schon wir mit unserem Geländewagen solche Probleme haben? Und wenn er erstmal in einem Schlammloch stecken geblieben ist, wer zieht ihn dann wieder raus?
„Für ein einfaches Leben brauche ich auch gar nicht viel.“
Benedikt Heinrich
Im Projektort wurden wir von der Dorfgemeinschaft freudig empfangen. Das Haus war schnell bezogen, weil in eine Reisetasche und das Handgepäck gar nicht so viel Zeug reinpasst. Schnell habe ich aber gemerkt: Für ein einfaches Leben brauche ich auch gar nicht viel.
Der Tag hat immer mit dem Ruf des Muezzins um fünf Uhr begonnen. Meistens habe ich mich nochmal umgedreht und versucht, eine Stunde weiterzuschlafen. Jeden Morgen um sieben Uhr haben wir uns mit unseren lokalen Mitarbeitern getroffen. Die Pünktlichkeit unserer Arbeiter war dabei nicht immer ganz so genau, wie wir das in Deutschland gewohnt sind. Aber auch für uns war es eine neue Herausforderung, immer pünktlich zu sein, denn wir waren ja nun die Bauleiter und mussten mit bestem Beispiel vorangehen.
Auf der Baustelle wurde dann die Arbeit aufgeteilt. Unser Team bestand aus uns beiden Freiwilligen aus Deutschland und zwölf lokalen Mitarbeitern. In den ersten Wochen wurden wir vom Projektleiter der Grünhelme eingearbeitet und mit allem vertraut gemacht. Danach waren wir beiden Freiwilligen es, die die Verantwortung für die Baustelle übernehmen mussten. Dabei kam es umso mehr auf unsere lokalen Mitarbeiter an. Einige von ihnen haben Berufserfahrung im Mauern, Verputzen oder Betonieren – sie sind die Spezialisten. Andere haben weniger Bauerfahrung und sind daher die Helfer.
In der Regel haben die Jungs sehr selbstständig gearbeitet und kaum Unterstützung benötigt. Manchmal aber war es doch ganz gut, hier und da ein Auge auf die Arbeiten zu werfen, ob sie gewissenhaft ausgeführt werden, ob Wasserwaagen und Bauschnüre verwendet und auch Arbeitssicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Zuletzt ist es ja unsere Verantwortung, dass die Schule so gebaut wird wie vom Dorfkommittee, den Behörden und uns geplant, dass sie keine technischen Mängel aufweist und dass sich niemand verletzt.
Sierra-leonische Spezialisten mit Fachwissen
Die Landessprache Krio hat ganz viele Ähnlichkeiten mit dem Englischen. In Mansadu wird aber meistens die lokale Sprache Koronko gesprochen. Die war aber noch schwieriger zu erlernen als Krio. Ein paar Floskeln hatte ich zwar schnell drauf, aber für viel mehr als „Guten Morgen“ und „Danke“ hat es in den drei Monaten aber dann doch nicht gereicht. Einige der Spezialisten sprechen auch Englisch und haben uns beim Übersetzen geholfen. Das ging sehr gut.
Als Elektroniker hatte ich bisher wenig Erfahrung im Bereich Mauern und Betonieren. So war es gerade am Anfang schon eine Herausforderung, zu verstehen, wie und wann Arbeiten am besten erledigt werden können. Ich wurde aber gut eingearbeitet und habe mich selbst auch in viele Dinge eingelesen, sodass ich recht schnell einen guten Einblick hatte. Besonders wichtig waren für mich aber die Spezialisten, die mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung viele Bauarbeiten bereits kannten und von denen ich viel gelernt habe.
Sicherlich war es auch die im Vergleich zu Deutschland einfache Bauweise, die es mir ermöglicht hat, mich in andere Gewerke gut einzuarbeiten. Und wenn es komplizierter wurde, haben wir uns ohnehin mit den Spezialisten und dem Projektleiter besprochen. Elektronisch gab es bis auf die Montage der kleinen Photovoltaik-Anlage auf unserem Haus nichts zu arbeiten, da es in der fertigen Schule keinen Strom geben wird. Schulen auf dem Land sind hier nicht so modern ausgestattet wie in Deutschland: Strom, fließendes Wasser, verglaste Fenster oder gar eine Heizung gibt es nicht und werden auch nicht benötigt.
Spannend wurde es fast jede Woche, ob genügend Baumaterial auf der Baustelle vorhanden sein würde. Vor dem Projektstart schließen die Grünhelme immer einen Vertrag mit der Dorfgemeinschaft. Darin werden die Aufgaben der beiden Partner – der Dorfgemeinschaft und der Grünhelme – festgehalten. Während die Grünhelme die Finanzierung des Projekts ermöglichen, bautechnisches Know-how mitbringen und in Kooperation mit dem Bildungsministerium dafür Sorge tragen, dass der Unterricht später gewährleistet ist, übernimmt die Dorfgemeinschaft das Heranschaffen der lokalen Baumaterialien unbezahlt und ehrenamtlich, denn diese sind fast unbegrenzt in der Natur zu finden.
So gibt es auf der Baustelle einen Wassertank, der alle zwei Tage von der Community gefüllt werden musste. Außerdem werden Sand und Natursteine in großen Mengen benötigt – für die Zementsteine, den Beton, Mörtel oder Putz. Den Sand dafür buddelt die Dorfgemeinschaft aus dem Fluss in der Nähe. Außerdem bringt sie die Natursteine aus den umliegenden Wäldern auf die Baustelle, die dann hier noch kleingeschlagen und zu Kies weiterverarbeitet werden. Leider hat es mit dem rechtzeitigen Heranbringen der Baustoffe manchmal auch nicht geklappt und wir mussten einen Tag Pause machen.
Der Paramount Chief ist so etwas wie der König im Dorf. Er wird auf Lebenszeit gewählt und hat ziemlich uneingeschränkte politische Macht. Nur mit ihm zusammen ist ein solcher Schulbau überhaupt möglich, weil er seine Community organisieren und auch immer wieder motivieren kann. In Mansadu ist der Chief unheimlich engagiert und setzt sich sehr stark für die Community ein. So war er es auch, der mit der Idee dieser Schule an die Grünhelme herangetreten ist. Außerdem ist er ein richtig cooler Typ: Er läuft immer mit traditionellen Gewändern und Sonnenbrille herum und hat uns immer das Gefühl gegeben, hier willkommen zu sein. In Mansadu dürfen wir in seinem Zweithaus wohnen und an einem Freitag hat er uns mit in die Moschee genommen. Als Zeichen seiner Wertschätzung hat er uns ständig frische Orangen und Bananen vorbeigebracht, sodass wir immer gut versorgt waren.
Kaum technische Hilfsmittel
Was mich sehr erstaunt hat, war die einfache Maschinenausstattung vor Ort. Es gibt Motorräder, Kettensägen, ein paar wenige Autos und kleine Stromaggregate in Mansadu. Ansonsten wird alles mit der Hand erledigt. Anfangs habe ich mich gefragt, wie wir auf der Baustelle mit nichts anderem als einer Kreissäge, zwei Akkuschraubern, einem Winkelschleifer und einer Schlagbohrmaschine zurechtkommen sollen, aber es hat funktioniert. Ganz einfach oder wie die Salonis sagen würden „small, small“.
Beton wird auf dem Boden gemischt, Sand wird mit Schubkarren gefahren und Steine werden zum Maurer getragen. Die Menschen sind hier körperlich viel fitter und robuster. Keiner von uns europäischen Grünhelmen kann mithalten, wenn Beton gemischt wird.
Besonders spannend wurde es, als wir einen Unterzug, also einen freischwebenden Ringanker, betoniert haben. Das ist auch für die Spezialisten keine Routineaufgabe. Richtige Schaltafeln oder Maurerstützen gibt es hier nicht. Die Bretter, die wir dann als Schalungen verwendet haben, sind nur mit der Kettensäge aus dem Stamm geschnitten und dementsprechend wenig maßhaltig. Da heißt es improvisieren und sich ein System überlegen.
Als erstes haben wir die Unterkonstruktion gezimmert, anschließend die Bewehrungskörbe gebunden, sie zu viert auf die Mauer gehoben und festgebunden. Als nächstes wurden die Seitenteile angeschraubt um zum Schluss die Schalung mit Beton ausgegossen. Bis der Beton komplett ausgehärtet ist, dauert es fast einen Monat. Da wir den Unterzug aber in der Mitte unseres Einsatzes gebaut haben, konnten wir kurz vor unserer Abreise noch das Ergebnis bestaunen: Und voila, nachdem wir die Schalung entfernt hatten, sah der Unterzug super aus. Keine Kiesnester, relativ gerade und das wichtigste, er hält. Einfach schön. Das war für mich das vielleicht größte Erfolgserlebnis. Alle haben sich unheimlich gefreut, dass diese Arbeit so gut geklappt hat.
Insgesamt war die Zeit in Sierra Leone für mich anstrengend und manchmal auch nicht einfach: In meiner Aufgabe als Bauleiter, musste ich mich in viele Tätigkeiten hineindenken, mit denen ich vorher noch nicht viel zu tun hatte. Ich musste auch Verantwortung für Entscheidungen auf der Baustelle tragen und Arbeitsabläufe organisieren. So war es wichtig, jeden Tag zu schauen, dass alle auf der Baustelle beschäftigt sind und die Arbeiten ordentlich und gewissenhaft durchgeführt werden. Auch das Persönliche unter uns Freiwilligen war manchmal nicht einfach. Wenn man so eng zusammenlebt und arbeitet, darf man nicht jede Kleinigkeit persönlich nehmen.
Kleiner, aber wichtiger Beitrag
Sicherlich hat die Zeit mich bestärkt, weil ich es gut geschafft habe, mich schnell in andere Gewerke einzuarbeiten. Die Zeit war auch zufriedenstellend, weil ich sowohl körperlich als auch geistig viel gearbeitet habe. Daher hatte ich fast immer Appetit. Zum Glück hat mir das Essen richtig gut geschmeckt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man Fisch und Chili in rauen Mengen mag ;-). So bin ich abends nach den langen Tagen eigentlich immer erschöpft und zufrieden eingeschlafen.
Der Bau der Schule ist zwar nur ein kleiner Beitrag, aber für die Menschen in der direkten Umgebung kann sich durch die Schule in naher Zukunft einiges positiv verändern. Es war eine gute Erfahrung in einem anderen Land, mit anderer Kultur zu arbeiten und auch so eng mit den Leuten zu leben. Irgendwann ist es mir gar nicht mehr aufgefallen, dass ich hier ja der Fremde bin. Und so wurde mir wieder bewusst, wie bereichernd es ist mit unterschiedlichen Kulturen zusammen zu arbeiten und von der Vielfalt zu profitieren.
Für mich war es eine gute Zeit – einfach, lehrreich und sehr vielfältig.
Benedikt Heinrich
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