Sich selbst ein Einkommen zu erarbeiten, ist enorm wichtig für Geflüchtete. Deshalb unterstützen wir Grünhelme ein Start-up im Libanon, das warme Decken aus Schafswolle produziert.
Von Ulrich Auer, Projektleiter Libanon
Aarsal, 16. Januar 2022. Früher war es im Libanon Tradition, dass die Familienangehörigen eines Hochzeitpaares in den Bergen die Schafshirten besuchten und dort eine große Menge Schafswolle kauften. Diese Schafswolle haben die Frauen in den Tälern in Flüssen gewaschen und aufbereitet. Aus ihnen stellten die beiden Familien des Brautpaares eigenhändig Matratzen und Decken her. Die Produkte verteilten sie anschließend in den beiden Familien.
Diese Tradition ist leider allerdings mittlerweile verschwunden, da sie sehr aufwändig und zeitintensiv war und es billiger ist, industriell hergestellte Waren zu kaufen.
Wolle wird liegen gelassen oder verbrannt
Aus diesem Grund haben die Schafshirten keine Abnehmer für ihre Wolle mehr. Mittlerweile müssen sie diese so günstig verkaufen, dass der Transport der Schafswolle auf die Märkte mehr Kosten verursacht, als der Verkauf der Wolle einbringen würde. Deshalb lassen die Schäfer die geschorene Wolle seit Jahren einfach in den Bergen liegen oder verbrennen diese sogar. „Es ist so, als würdest du einen Apfelbaum pflanzen und jedes Jahr deinen Ertrag wegschmeißen“, habe ein Schafshirte zu ihm gesagt, erzählt Nadji.
Nadji, ein Libanese aus Arsal und Freund der Grünhelme, engagiert sich schon seit Jahren in den Flüchtlingscamps und unterstützt die Syrerinnen und Syrer. Er konnte es nicht mit ansehen, dass die Wolle ungenutzt herumliegt und ist mit einem Freund in die Berge gefahren. Sie haben, in Rücksprache mit den Hirten, mehrere Tonnen Wolle eingesammelt. Ursprünglich war die Idee, aus dieser Schafswolle so etwas wie Dämmmatten für die Flüchtlingszelte herzustellen. Denn die Zelte sind kaum isoliert und bieten somit im Winter kaum Schutz gegen die klirrende Kälte.
Social-Entrepreneurship-Gedanke
Weil sich das Vorhaben als nicht so einfach entpuppte, kam die Männergruppe um Nadji auf Idee auf, Decken aus der Wolle zu produzieren – genau so, wie es früher auch gemacht worden war. Der Hintergedanke: Einen Rohstoff nutzen, der schon da ist und daraus etwas produzieren, das sich verkaufen lässt und somit Arbeitsplätze für Geflüchtete, aber auch für Libanesen schafft. Zugleich sind Wolldecken eine Ware, die tatsächlich gebraucht wird, da es in Aarsal im Winter äußerst kalt ist.
Die Neu-Unternehmer starteten die Produktion, sie finanzierten sie aus eigener Tasche und mit Unterstützung einer kleinen Organisation aus Schottland (EDA). Sieben Mitarbeiter wurden eingestellt, um die Wolle zu reinigen, zu waschen, zu entfilzen und die Decken zu nähen. In Zukunft sollen auch die Schafshirten wieder Geld für ihre Schafswolle dadurch bekommen.
Die Decken sind ein zu 95% natürliches Produkt. Es besteht neben der Schafswolle aus einem Überzug aus Baumwolle mit 5% Polyester-Anteil. Bis auf das Nähen des Steppmusters wird alles in Handarbeit hergestellt.
Grünhelme kaufen und verteilen 150 Decken
Wir Grünhelme haben das Vorhaben von Anfang an begleitet und freuen uns über so viel Eigeninitiative. Wir haben nun die ersten fertigen Decken gekauft. Diese 150 Decken haben wir kürzlich an syrische Familien aus Geflüchtetencamps in Aarsal verteilt. Wir sind gespannt, wie es weitergeht!
*Update: Mittlerweile sind 200 weitere Decken fertig geworden. Auch diese haben wir gekauft und verteilt.