Geflüchtete Syrer*innen müssen im libanesischen Ort Arsal den harten Winter überstehen

Die härteste Zeit des Jahres neigt sich nun auch in den Bergen im libanesisch-syrischen Grenzgebiet dem Ende zu. Das Örtchen Arsal, eingeschlossen zwischen zahlreichen Gipfeln des Anti-Libanon-Gebirges, und nur einen Steinwurf von der syrischen Grenze entfernt, hatte in den vergangenen Monaten mit reichlich Schneefall, unberechenbaren Stürmen, monsunartigen Regenfällen und immer wieder bitterkalten Temperaturen zu kämpfen. Diesen Winter in Arsal mussten schätzungsweise 60.000 bis 100.000 geflüchtete Syrer*innen in Zelten oder undichten Rohbauten überstehen. Für viele Familien war es bereits der siebte Winter in dieser manchmal so menschenfeindlich wirkenden Gegend.

Wir Grünhelme sind nun seit Dezember 2017 in Arsal und versuchen seitdem einige der kleinen und selbstorganisierten Camps winterfester zu machen: Die Zelte, die zumeist entweder ausrangierte Militärzelte mit einer Stahlstruktur oder notdürftig zusammengezimmerte Holzbaracken sind, statten wir mit Dächern aus Trapezblech und Fenstern aus. Hatten wir in „unserem“ ersten Camp noch eine zweite Dachebene über mehrere Zelte gleichzeitig errichtet, legen wir nun Hand an jedes einzelne Zelt an, nutzen die bestehenden Zeltkonstruktionen, verstärken sie und bilden einen zusätzlichen Dachstuhl aus, der zugleich eine Hinterlüftung zwischen Zeltplane und Trapezblech ermöglicht. Die Fenster bringen dabei nicht nur Licht ins selbst tagsüber fast stockdunkle Zeltinnere, sondern ermöglichen auch ein Durchlüften, sodass der gesundheitsschädigenden Schimmelbildung, die in fast allen Zelten zu beobachten ist, vorgebeugt werden kann.

In Arsal gibt es mehr als 100 kleine Camps. Die Zahl der Bewohner*innen in Arsal hat sich durch die syrischen Geflüchteten wohl mehr als verdreifacht – waren es vorher etwa 35.000 Menschen, sind es heute wohl weit über 100.000. Die meisten Camps umfassen zwischen zehn und 60 Zelten, wobei für den Grund, auf dem sie errichtet wurden, eine Pacht an die libanesischen Besitzer*innen gezahlt wird. Mitunter wird diese Abgabe von libanesischen oder syrischen Hilfsorganisationen übernommen, häufig müssen die syrischen Familien aber auch selbst das Geld aufbringen.

Im Camp Wadi Swed, in dem wir zuletzt 50 Zelte mit Dächern und Fenstern ausgestattet haben, kommen die Menschen alle aus einem Dorf in der Nähe von Homs. Sie kannten sich vorher, viele sind miteinander verwandt. Der ehemalige Bürgermeister des Dorfes, Abu Abdullah ist nun der Campvorsteher, der auftretende Probleme innerhalb des Camps moderiert. Er hat einen kleinen Laden eröffnet und versorgt so die Campgemeinschaft mit Lebensmitteln. Einer seiner Söhne ist im Krieg gestorben, sodass seine Enkelkinder nun mit ihm und seiner Frau in dem kleinen 16 Quadratmeter-Zelt leben. Zusätzlich zum Laden kommen aber auch täglich libanesische Obst- und Gemüseverkäufer mit ihren vollbeladenen Pickups ins Camp. Für Fahrten ins etwa drei Kilometer entfernte Stadtzentrum teilt sich die Campgemeinschaft ein paar Motorräder.

Die meisten Kinder des Camps gehen mittlerweile auch zur Schule. Einige auf syrische Schulen, die in Arsal auf private Initiative oder von syrischen Organisationen betrieben werden, andere in die „Abendschicht“ der libanesischen Schulen. Der Unterricht ist generell kostenlos, allerdings müssen die Minibusse bezahlt werden, die morgens hupend und hoffnungslos überfüllt von Camp zu Camp fahren und die Kinder in die Schulen bringen. Schon allein solch kleine Abgaben können die Familien vor große Probleme stellen, da Arbeit besonders im Winter rar und ausgesprochen schlecht bezahlt wird. Immer wieder kommt es auch zu Konflikten mit den libanesischen Arbeitgebern, die die unregistrierten und rechtelosen Syrer*innen um ihren Lohn prellen wollen.

Die syrischen Familien haben sich mit ihrem Leben in Arsal arrangiert, gewöhnen können sie sich aber nicht daran. Immer wieder kommt die Sprache auf die Heimat und den materiellen und immateriellen Verlust. Bleiben möchte niemand, aber solange das Assad-Regime weiter Bomben wirft und die Geflüchteten pauschal als Terrorist*innen diffamiert ist eine Rückkehr nicht möglich. So liegen die Härten des Winters zwar gerade erst hinter den Menschen, aber der nächste Winter in Arsal wird für sie kommen. Auch deshalb machen wir Grünhelme weiter.