Das verheerende Erdbeben im Februar hat im Süden der Türkei und in Nordwestsyrien rund 60.000 Menschen das Leben gekostet. Im Nordwesten der Provinz Aleppo, unweit der Stadt Afrin, haben wir das erste Wiederaufbauprojekt begonnen.

Von Simon Bethlehem, Grünhelme-Vorsitzender

Die ersten Mauern stehen: Wir bauen 20 Wohneinheiten für vom Erdbeben betroffene Familien

Bonn, 24.09.2023 – Als am frühen Morgen des 06. Februar 2023 unweit der türkischen Stadt Kahamanmaras die Erde bebte, war das Ausmaß der Naturkatastrophe rasch klar. Tausende Gebäude waren eingestürzt und hatten ihre Bewohner*innen unter sich begraben. Rund 60.000 Menschen fanden den Tod, etwa 150.000 Menschen wurden verwundet und mehr als zwei Millionen Menschen haben ihr Zuhause verloren.

Neben der Südtürkei war der Nordwesten Syriens besonders stark betroffen – ein Gebiet, das durch den mehr als ein Jahrzehnt andauernden Bürgerkrieg stark fragmentiert ist. Das Beben traf Gebiete, die unter der Kontrolle von Diktator Bashar al-Assad stehen, aber auch die von der islamistischen HTS kontrollierte Rebellenhochburg Idlib und den von der Freien Syrischen Armee kontrollierten Norden der Provinz Aleppo. Die beiden letzteren hängen am finanziellen und militärischen Tropf der Türkei.

Essen und Lebensmittel als Akuthilfe

Die Grünhelme konnten bereits unmittelbar nach dem Beben Akuthilfe leisten. Dies geschah gemeinsam mit unseren Partnern „Barada Syrienhilfe e.V.“ und „SamGülü“ (nach einer Umbenennung nun „SY Aid“), indem wir zubereitete Mahlzeiten und Lebensmittelpakete für mehrere tausend betroffene Familien verteilten.

Die Verteilungen fanden in den stark betroffenen Städten Afrin und Jinderes statt, welche die Freie Syrische Armee mit Unterstützung der Türkei verwaltet. Noch im Februar renovierten wir zudem mit unseren Partnern zwei beschädigte Schulen in Afrin. Zu diesem Zeitpunkt trafen wir auch Vorbereitungen für das erste Wiederaufbauprojekt in der Region: Wohnraum für vom Erbeben betroffene Familien.

In den Gebieten außerhalb der Kontrolle Assads herrschten schon vor dem Beben katastrophale humanitäre Zustände: Mehr als zwei Millionen Binnenvertriebene haben in der Zuflucht vor der Gewalt Assads gefunden. Sie leben häufig in inoffiziellen Camps oder in Gebäuden, die bereits vor dem Erdbeben einsturzgefährdet waren, etwa aufgrund der stattgefundenen Kämpfe. Hinzu kommen eine miserable Lebensmittel- , Wasser- und medizinische Versorgung. Eine besondere Tragik besteht darin, dass auch viele dieser Geflüchteten, die in diesem Teil Syriens Sicherheit suchten, nun genau hier den Tod gefunden haben, wie unser ehemaliger Mitarbeiter Iyad mit seiner Frau Adawia und Sohn Mato.

Dorf südlich von Afrin

Einer dieser Zufluchtsorte ist ein kleines Dorf südlich der Stadt Afrin, idyllisch gelegen in den mit Olivenbäumen gespickten Hügeln. Hier hat Sheikh Abdullah an seiner Moschee ein Versorgungszentrum aufgebaut. Die Menschen aus den umliegenden Camps erhalten hier eine warme Mahlzeit, außerdem versorgt ein Wassertankwagen die Menschen regelmäßig mit Trinkwasser. Schon vor dem Beben lebten hier 175 geflüchtete Familien aus allen Teilen Syriens in Zelten, nach dem Beben sind nochmal rund 75 Familien dazugekommen, die nach dem Erdbeben plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf hatten.

Gemeinsam mit Sheikh Abdullah und unserem Partner „SY Aid“ (früher SamGülü) bauen wir nun zunächst 20 erdbebensichere Wohneinheiten, die den bedürftigsten Familien zur Verfügung gestellt werden. Dabei sind die einzelnen Wohneinheiten als „Doppelhaushälften“ konzipiert. Jede Wohnung hat einen Grundriss von 9,5 mal 4,5 Metern.

Da wir nicht damit rechnen, dass die Familien in absehbarer Zeit in ihre syrischen Heimatgebiete zurückkehren werden können, konzipieren wir die Bauten so, dass an die einzelnen Wohnungen später eigeninitiativ angebaut werden kann. Für eine erdbebensichere Wohnung haben wir Baukosten in Höhe knapp 4.000 Euro kalkuliert.

Unser Projektleiter Tobias Lange kann aufgrund der komplizierten Einreise und der Sicherheitssituation in Nordwestsyrien nur punktuell vor Ort sein. Er hat aber zusammen mit Sheikh Abdullah ein lokales Bauteam aufgebaut, die Anfang September mit den Arbeiten begonnen haben. Ende des Jahres sollen die 20 Wohnungen an die Moscheegemeinde übergeben werden, die dann die Zuteilung der Familien vornimmt.

Wasserversorgung soll verbessert werden

Neben dem Wohnungsbau kümmern wir uns auch um die Wasserversorgung – für die Wohnungen und die umliegenden Camps. Ein Brunnen und eine Pumpe sind bereits vorhanden, allerdings wurde der zugehörige Stromgenerator zerstört, weshalb aktuell Wasser teuer aus Afrin per Tankwagen beschafft werden muss.

Um die lokale Wasserversorgung wieder in Gang zu setzen, bauen wir nun zusammen mit einem lokalen Solateur eine Photovoltaik-Anlage, die den Betrieb der Pumpe langfristig und unabhängig von Treibstoffengpässen sicherstellen soll. In einem zweiten Schritt ist dann ein großes Vorhaltebecken weiter oben am Berg geplant, das die Wohnungen und Camps über ein Leitungssystem mit Wasser versorgen soll.

Wir möchten uns ganz herzlich bei unseren Spenderinnen und Spendern bedanken, die uns nach dem Erdbeben mit den finanziellen Mitteln ausgestattet haben, um nach der Nothilfe auch diese Wiederaufbauprojekte zu realisieren. Für viele Familien macht das einen riesigen Unterschied. Es sendet zugleich ein Hoffnungszeichen an die Menschen in der Region, die sich vom globalen Norden häufig vergessen fühlen. Um das Projekt ausweiten zu können, sind wir auf weitere Unterstützung angewiesen.

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Stichwort: Erdbebenhilfe

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Nothilfe für Nordwestsyrien